Die Geister erwachen vom Schlaf! Die Toten steigen aus ihren Gräbern, tanzen und feiern wilde Orgien! Hexen und Zauberer treiben ihr Unwesen! Schreckliche, grausige Dinge passieren um Mitternacht! Da bleibt man besser zuhause hinter gut verschlossenen Türen.
So leitete Gunhild Krüger aus dem Predigtkreis St. Felizitas den Abend ein. Das Interesse bei den zahlreichen Anwesenden war aber dennoch groß genug, das Zuhause zu verlassen, das Pfarrheim aufzusuchen und an einer Kunstandacht über das Bild „Um Mitternacht“ von Michael Triegel teilzunehmen.
Michael Triegel ist ein renommierter, viel beachteter Künstler, der in der ehemaligen DDR aufwuchs. Erst als Erwachsener fand er zur Religion und ließ sich schließlich taufen. Triegel beherrscht in vollendeter Form die Techniken alter Meister. Sie leuchten in den Farben mittelalterlicher Kunst und beeindrucken durch ihre detailreiche, in den Einzelheiten naturalistische Darstellung. Viele seiner Werke nehmen religiöse Motive auf und knüpfen an große Vorbilder christlich geprägter Kunst an. So kommt den Betrachtenden vieles bekannt vor. Doch bei näherem Hinsehen werden die vermeintlich vertrauten Bilder allmählich fremd. Die Anordnung der abgebildeten Gegenstände, Szenen und Personen in seinen Bildern hat es in sich. Bekannte Motive werden in ungewohnte, manchmal surreale Zusammenhänge gestellt. Biblische Personen erhalten das Gesicht des Künstlers und seiner Familie. Die Bilder erschließen sich nicht auf Anhieb, sie irritieren und werfen Fragen auf. Triegel überlässt es den Betrachtern, eigene Deutung zu finden.
Diese Herausforderung nahm der Predigtkreis an, der auch in der Vergangenheit schon öfter religiöse Bilder der Kunst zu einem abendfüllenden Thema machte. Im Mittelpunkt stand Triegels Bild „Um Mitternacht“. Bei zahlreichen Treffen hatten sich die Mitglieder des Predigtkreises mit den einzelnen Motiven und ihrer Komposition auseinandergesetzt. Es ging um den in der Bildmitte thronenden Christus, um Berge im Sonnenlicht, Fische, bedrohlich fliegende Messer und eine Lanze, einen fallenden Christustorso, einen Embryo in der Höhle eines umgestürzten Baumes. Der Kreis ging den Einzelmotiven nach und stellte Verbindungen mit biblischen Bezugstexten und Literaturvorlagen her. Gerade die Vielfalt der Motive und die Widersprüchlichkeit in ihrer Komposition warfen viele Fragen auf und ermöglichten unterschiedliche Ansätze zur Interpretation. Auch kirchenkritische Deutungen – z.B. in der Anordnung und Kombination der Fische, Messer und der Lanze wurden ins Visier genommen. Und doch zeigte sich schließlich ein verbindender Faden: Es gibt Hoffnung.
Für die Besucher der Kunstandacht wurde schnell klar, dass die Einleitung von Gunhild Krüger nur ein Aspekt der Mitternacht sein würde, so dass über die einzelnen Beiträge der Hoffnungscharakter entfaltet werden konnte und im Anschluss an die Präsentation eine rege Diskussion entstand.
Unterstützt wurde der Predigtkreis erneut durch den Mediendesigner Franz-Josef Kröger aus Alverskirchen, der einzelne Motive aus dem Bild separierte und ihnen darüber hinaus in einer Videoinstallation neu Bedeutung verlieh.
Musikalisch gerahmt wurde die Veranstaltung durch die Saxophonistin Zita Klünker.
Gabriele und Andreas Hoffmann
Fotos: Ute und Josef Kieslich