
Vom Teufel versucht. Ganz diskret, dort, wo niemand etwas merkt: In der Wüste. - Ein knapper Erzählstoff für großes Kino (Lk 4,1-13).
Wie der Teufel denn wohl aussieht? Hat er Hände, Pferdefuß, Gesicht und Hörnern? An dessen Outfit hat der Evangelist Lukas kein Interesse. Wohl aber an dessen Tun. Auffällig ist, wie der Evangelist ihn auf Griechisch bezeichnet: diábolos. Wörtlich übersetzt: Durcheinanderwerfer, Verwirrer, Faktenverdreher, Widersacher, Verleumder. Und was tut er? Er handelt ganz entspannt und kann sich gut in Szene setzen. Seine Sprache ist unkompliziert. Er stellt keine Fragen. Seine Rhetorik baut er auf Wenn-dann-Sätze. Auf diese Weise fokussiert er sich auf die große Frage seiner Handlung: Wer bist du als Sohn Gottes? Auch der Leser und Hörer des Evangeliums wird mit Jesus vor dieselbe Frage gestellt: Wer bist du als Tochter bzw. Sohn Gottes? Um dies herauszustellen, unternimmt der diábolos drei Anläufe.
Beim ersten steht im Raum die Aussage: Jesus ist Gottes Sohn. Diese Zusage, hatte Jesus bei seiner Taufe vom Gott vernommen. Nun möchte der diábolos erreichen, dass Jesus den Beweis dafür liefert: Zeig, wer Du bist, was Du kannst! Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden!
Jesu Reaktion setzt auf die Geschichte und die Erfahrung des Gottesvolkes Israel: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht" (Dtn 8,3). Was Gott von sich gibt, das schafft Leben! Am Anfang seiner Schöpfung sprach er:Es werde und es wurde. Gottes Worte sind und bleiben Lebensmittel. Anders gesagt: Worte gehören nicht auf die Goldwaage, sondern auf die Brotwaage: Dient das, was du sagst dem Leben? Gottes Wort bietet genau das an: nahrhafte Lebenskraft und visionären Vorgeschmack in den Verben des Friedens, dem Buchstabieren der Gerechtigkeit, in der Grammatik des Miteinanderlebens. Hier zeigt sich das, was eine Tochter, einen Sohn Gottes ausmacht.
Bei seinem zweiten Anlauf zeigt der diábolos mehr von sich. Er hat aufgepasst, wie Jesus vorgeht. Er greift selbst nach der Bibel und zitiert daraus. Er kennt außerdem den Weg zum Jerusalemer Tempel und hat sogar die Schlüssel zum Turm des Tempels. Tritt hervor! Wirf dich hinab! Fliegen wirst du und nicht fallen. Damit macht er Jesus klar: Ja, du hast recht, man lebt gut aus dem Wort Gottes. Aber: Sind Gottes Zusagen verlässlich? Als Sohn Gottes ist es dir doch eine Kleinigkeit, zu zeigen, wie zuverlässig Gottes Wort ist und welche Kraft es hat. - Welch eine Verlockung, das eigene Leben auf eine magische Versicherung setzen zu wollen! Ein Großer wie du ist in allem getragen, ist unverletzlich. Denn solche Himmelskomiker haben doch den Höchsten auf ihrer Seite und die Helfershelfer dazu. Komm schon, zeig, dass es so ist.
Jesu Replik setzt nun auf die Gebote des Gottesvolkes Israel: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen" (Dtn 6,16). Diese Worte erinnern an die Szene an dem Ort namens Massa. Dort hadern die Israeliten mit ihrem Gott, stellen ihn auf die Probe. Denn ihr Durst in der Wüste ist unerträglich: Wenn Gott allmächtig ist, dann muss er doch eingreifen und Wasser in der Wüste zaubern! Gott nicht auf die Probe stellen, bedeutet für Jesus: Ich muss weder Gottes Handeln erklären noch die Kraft seines Wortes beweisen. Täte ich das, würde ich Gott degradieren, ihn zum verfügbaren Objekt machen. Vielmehr vertraue ich bewusst auf ihn und seinen Weg. Denn seine Verheißungen gelten für seine Wege und nicht für meine eigenmächtig gewählten Wege.
Beim dritten Anlauf zeigt sich der diábolos ganz von seiner wahren Seite. Schließlich geht es ihm nun nur noch um sich selbst. Vom Berggipfel zeigt er nicht das gute und weite gelobte Land, in das man durch die Wüste kommt, sondern gleich mal den ganzen Kosmos, dem tatsächlich seine eigene Herrlichkeit zuzuordnen ist. Er zeigt unverhohlen, wer die Macht in der Welt und über die Welt hat und welche Kondition er dem stellt, der Macht bekommen möchte: Einen einfachen Kniefall. Kaum mehr verlangt der diábolos. Sein Deal ist: Leistung und Gegenleistung. Macht für dich gegen Dienst bei mir!
Wie reagiert der Sohn? Jesus setzt ein weiteres Gebot Gottes entgegen: "Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen" (Dtn 6,13). Ging es am Anfang noch darum, nicht allein vom Brot zu leben, so nun darum, ganz allein Gott zu dienen, d.h. das eigene Leben nach ihm auszurichten.
So wie er gekommen ist, so verlässt der diábolos die Erzählbühne: Unspektakulär. In keinem Augenblick erwähnt Lukas, woher dieser kommt, wie er aussieht, wo er schließlich hingeht oder wo er wohnt. So teuflisch tritt er übrigens hier nicht auf. Jesus ist in seiner Gegenwart weder überrascht noch erschrocken. Er läuft vor ihm nicht weg und kämpft auch nicht gegen ihn. Vielmehr antwortet er auf alles, was jener zu ihm sagt. Eigentlich ist der diábolos ihm sogar hilfreich. Denn er hält Jesus seine Möglichkeiten vor Augen. Er prüft ihn. Er nimmt Jesus das Examen ab. Er hilft ihm, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zwischen richtig und falsch, zwischen Gottvertrauen und menschlicher Überheblichkeit zu unterscheiden. Er hilft ihm und dem Leser und Hörer des Evangeliums zu erkennen, was Gottes Kindschaft ausmacht.
Eine gesegnete erste Fastenwoche!
Hector Sanchez